Von Gastautor Dr. Klaus Rißler
Die aktuell tagtäglich erfolgenden Reaktionen und Verlautbarungen der Politiker der meisten dem Militärbündnis NATO angehörenden Staaten Europas erinnern mich fatal an die oft zitierten Worte Kaiser Wilhelms II. (1859 – 1941), die da waren „Nur immer feste druff“. Wie so etwas schließlich endete, müsste eigentlich den meisten Deutschen zur Genüge bekannt sein, aber offenbar leider doch nicht allen.
Sollte anstatt dessen nicht schon längst nach einer diplomatischen Lösung gesucht werden, als den zwischen Russland und der Ukraine seit mehr als einem Jahr schwelenden militärischen Konflikt mit einer immer brachialer klingenden Rhetorik nur noch weiter anzuheizen und eskalieren zu lassen ? Denn jeder Tag fördert zahlreiche unnötige Opfer zu Tage, allerdings nicht diejenigen der im Konflikt Öl ins Feuer gießenden feigen politischen Maulhelden, wie Strack-Zimmermann, Hofreiter, Baerböckin, zerstört damit weiterhin die für Hunderttausende an Menschen dringend erforderliche Infrastruktur und zwingt ebenso viele zur Flucht aus ihrer Heimat.
Lassen Sie mich verehrte Leserinnen und Leser zuerst einmal aus Sicht des Autors kurz und bündig die Ursachen der kriegerischen Auseinandersetzungen beleuchten.
Sicherlich hat Wladimir Putin am 24. Februar 2022 mit dem Überfall auf das Nachbarland Ukraine einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg heraufbeschworen, den er lieber nicht hätte beginnen sollen. Aber macht man sich die Sache nicht doch zu einfach, ihm, dem von der westlichen Politik und den schon seit Jahren von ihr gleichgeschalteten Medien geradezu als der „Leibhaftige“ apostrophierten russischen Präsidenten die Alleinschuld an dieser vermeidbaren Eskalation zuzuweisen ?
Gab es nicht schon die Abkommen Minsk I und Minsk II, die, wie sich mittlerweile herausschälte, vorwiegend dazu benutzt wurden, der Ukraine die erforderliche Atempause zu verschaffen, um sie zu einen waffenstarrenden Moloch gegen den mächtigen östlichen Nachbarn aufzurüsten und damit für die alles andere als hehren Ziele der NATO gefügig zu machen ?
Gab es als Folge dieser Abkommen jemals eine Autonomie für die weit überwiegend von ethnischen Russen besiedelten ostukrainischen Oblaste Lugansk und Donezk ?
Allerdings ist es aber auch ein unumstößliches Faktum, dass die vorwiegend von Russen bewohnten ukrainischen Ostregionen in ihrer übergroßen Mehrheit die staatliche Unabhängigkeit vom Gesamtstaat erstrebten.
Wie man eigentlich wissen müsste, explodierte das Pulverfass Ostukraine spätestens zu jenem Zeitpunkt, als der gewählte ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch im Frühjahr 2014 durch einen von den USA inszenierten Putsch entmachtet und gezwungen wurde, das Land fluchtartig zu verlassen. Da eine Beruhigung der Lage fürderhin nicht mehr eintrat und im Jahr 2019 als Nachfolger des doch gemäßigten Präsidenten Petro Poroschenko ein korrupter politischer Hasardeur, Schauspieler, Komödiant und Filmproduzent, ein Kasperl ohne politische Erfahrung mit Namen Wolodymyr Selenskyj in den Präsidentenpalast einzog, schaukelten sich die Konflikte zwischen ethnischen Russen und Ukrainern immer mehr auf und entluden sich in offenem Hass aufeinander. Anstatt, wie es seine Aufgabe als Präsident aller Ukrainer hätte sein müssen, liebäugelte er immer mehr mit dem „Werte-Westen“ und peilte ganz unverhohlen einen Beitritt in das westliche Verteidigungsbündnis an. Damit verprellte er den übermächtigen östlichen Nachbarn, wohl wissend, dass Putin diese durch viel westlichen Mammon initiierte Entwicklung unmittelbar vor seiner Haustür niemals akzeptieren würde. Als die Ukraine, offenbar durch die Rückendeckung der USA den Nachbarn Russland mehr und mehr zu provozieren begann, sah sich Putin genötigt, militärisch einzugreifen und vollendete Tatsachen zu schaffen.
Seither wird über die Schuldfrage gestritten und dazu der schwarze Peter, wie in solchen Fällen üblich, eben hin und hergeschoben.
Mittlerweile kristallisierte sich allerdings immer deutlicher heraus, dass es sich nur formal um einen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine handelt, dafür umso mehr um einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland auf dem Rücken bzw. unter Einschluss der Ukraine und der Europäer. Dabei ist das Ziel der USA klar erkennbar und zwar dergestalt, Russland zu schwächen und dessen schier unermessliche Ressourcen den Europäern fortan nicht mehr zugänglich zu machen. Oder auch im Klartext ausgedrückt, die USA zielten darauf ab, nicht nur Russland allein, sondern auch ganz Europa, darunter vorwiegend aber auch Deutschland, als wirtschaftlichen Konkurrenten auszuschalten und sie damit noch stärker wirtschaftlich und militärisch an sich zu binden als bisher. Denn wie hieß es doch schon im alten Rom „Divide et Impera“. Allerdings unterschätzen die USA in ihrer grenzenlosen Hybris und Verblendung die „dritte Variable“ in diesem Krieg, nämlich die indirekte Beteiligung der dritten Großmacht, nämlich China, welche über kurz oder lang seine Einflusssphäre nicht nur bis an die Grenzen der Europäischen Union, sondern auch noch weit in den pazifischen Raum hinein ausdehnen könnte. Und das wären beileibe keine guten Aussichten für die dort lebenden Menschen bzw. ein formidabler Kollateralschaden einer katastrophalen westlichen Politik.
Im Folgenden sei in sehr stark konzentrierter Form auf die wesentlichen Inhalte eines Interviews zwischen Pierre de Gaulle, dem Enkel des m. E. größten Franzosen des vergangenen Jahrhunderts, Charles de Gaulle (1890 – 1970) und der Journalistin Irina Dubois auf dessen Sicht zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eingegangen.
Vorausblickend sei bemerkt, dass sich Pierre de Gaulle nicht von den jeden politischen Anstand verletzenden rhetorischen Elaboraten der meisten europäischen Politiker infizieren ließ und, darin seinem Großvater sehr ähnlich, sich dagegen zur Wehr setzt, dass sich Europa als billige Marionette von einer Supermacht wie den USA kritik- und widerstandslos für deren Ziele und Propaganda vereinnahmen und missbrauchen lässt.
Lassen Sie mich dazu Pierre de Gaulle (Originalton in kursiv und fett) zitieren:
Ich rebelliere und protestiere gegen diese intellektuelle Unehrlichkeit in der Ukraine-Krise, denn die Auslöser des Krieges sind die Amerikaner und die NATO.“
Da seiner Ansicht nach unter dem von den USA vorgeplanten Wirtschaftskrieg gegen Russland nun Europa leide, fuhr er fort:
„Die Vereinigten Staaten setzen leider die militärische Eskalation fort und lassen nicht nur die ukrainische Bevölkerung leiden, sondern auch die europäische Bevölkerung.“
Pierre de Gaulle argumentiert ferner, dass das Ausmaß und die Zahl der Sanktionen deutlich zeigten, dass all dies tatsächlich lange im Voraus geplant wurde und die einzigen Nutznießer der Sanktionen die Amerikaner seien:
„Die Amerikaner verkaufen ihr Gas an die Europäer zu einem Preis, der vier- bis siebenmal so hoch ist wie in ihrem eigenen Land.“
Unterdessen hätten jedoch die vom Westen verhängten Sanktionen gegen russische Exporte fossiler Brennstoffe die Finanz- und Energiekrise in Europa dramatisch verschärft, so dass laut de Gaulle „jeder in seinem täglichen Leben darunter leidet“.
Aber auch die Altkanzlerin Angela Merkel wurde von Pierre de Gaulle an den Pranger gestellt. Er warf der Politikerin vor, bewusst zum Konflikt beigetragen zu haben, indem sie die ukrainische nationalistische Expansion genehmigt habe, die sich nach dem pro-westlichen Putsch in Kiew seit 2014 behauptete. Die Regierung, die in jenem Jahr an die Macht kam, habe versucht, „die russische Kultur und die Möglichkeit, Russisch zu sprechen“, im weitgehend russischsprachigen Donbass zu vernichten, hieß es weiter.
Der Enkel General de Gaulles erklärte zudem, dass es im Interesse Frankreichs liege, die Politik des Gleichgewichts zwischen Ost und West fortzusetzen, da sie für die Stabilität in Europa unbedingt notwendig sei und fasste zusammen:
„Ich glaube, dass die öffentliche Meinung in Frankreich langsam begreift, dass es den USA gelungen ist, die Ukraine-Krise zu nutzen, um Europa zu destabilisieren„.
Als geschichtsinteressierter Schüler und Jugendlicher habe ich Charles de Gaulle immer sehr bewundert, vor allem seine distanziert-kritische Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten. Er setzte sich während seiner 10-jährigen französischen Präsidentschaft stets für die Emanzipation Europas von den USA ein, ohne die Freundschaft und Zusammenarbeit mit ihnen ernstlich in Frage zu stellen. Ein derartig hündisch-unterwürfiges Gewinsel, wie es der kürzlich von Joe Biden zum Rapport befohlene Olaf Scholz an der Tag legte, wäre einem Regierungschef wie de Gaulle niemals in den Sinn gekommen. Das öffentliche Erscheinungsbild des Herrn Bundeskanzlers gegenüber Biden war mehr als nur peinlich, denn ein solches Gebaren legen nur willenlos steuerbare politische Marionetten an den Tag.
Am 7. März zeigte mir ein liebenswerter Franzose das Bild vom Schoßhündchen Scholz vor dem übermächtig erscheinenden Joe Biden auf seinem Smartphone und fügte hinzu: „comme un petit chien qui toujours obéit à son maître“. Auf Deutsch: wie ein Hündchen, welches immerzu seinem Herrchen gehorcht“. Ja, ein Charles de Gaulle hätte sich in der Tat, anders als die offensichtliche deutsche Memme Olaf Scholz, niemals in einer derart widerlich-unterwürfigen Pose in Szene gesetzt.
Auf meine Frage, ob Pierre de Gaulle in Anbetracht des immer noch wohlklingenden Namens seines berühmten Großvaters nicht beste Chancen hätte, den nicht allzu beliebten Emmanuel Macron zu beerben, sagte der Franzose „Oui, en tout cas“ (ja, auf alle Fälle) aber er wird sich leider nicht um eine Präsidentschaft bemühen.